Seminar zur Prävention und Intervention bei sexueller Gewalt in Gruppen der Jugendbewegung

Bildschirmfoto 2013-11-18 um 19.10.54Am Wochenende des 28./30. Juni d. J. fand am Kochshof bei Grimberg/Odenthal im Bergischen Land unter Beteiligung von HortenführerInnen der Freischar ein überbündisches Seminar statt, dessen Thema nicht nur unserer Bundesführerin Hexe sehr am Herzen lag. Es sollte um Macht und Machtmissbrauch gehen. Wir luden Holger Specht (DPB) ein, um uns unter seiner fachkundigen Anleitung mit den Themen sexuelle Gewalt in der Jugendbewegung auseinanderzusetzen. Das Seminar begann bereits Freitagabend mit der Erarbeitung eines Vokabulars und der Einführung in die Begrifflichkeiten. Was sagt man und was sagt man nicht? Wie drücke ich aus, was eigentlich unbegreiflich ist? Was ist Macht? Wann habe ich Macht und wann missbrauche ich diese? Will ich Macht? Darf ich Macht einsetzen?

Der Definition nach ist Macht die Möglichkeit, Menschen, Dinge und Situationen zu beeinflussen und zu bewegen. Und Macht bekommt man durch Vertrauen. Das hat mich nachdenklich gestimmt … Ich möchte doch etwas bewegen und ich möchte auch, dass mir Vertrauen entgegengebracht wird … ist das schlecht?

Ein Gruppenleiter, der seine Macht nicht einsetzt, ist genauso verant- wortungslos wie der, der die Macht Missbraucht. Das Problem ist nicht Macht zu haben oder sie einzusetzen. Es ist eher das Problem, diese Macht positiv einzusetzen. Aber was heißt denn nun positiv? Positiver Macheinsatz dient dem Wohl der Gruppe und nicht der Durchsetzung der eigenen Belange. Dabei müssen die persönlichen Grenzen geachtet werden, die bei jedem Individuum anders sind. Aber welche Grenzen denn jetzt nun? Klar, Landesgrenzen kennen wir alle von unseren Fahrten. Körperliche Grenzen lernt man wohl auch kennen, wenn der Rucksack drückt und man Blasen an den Füßen hat, während der Regen unaufhaltsam durch die Kleidung sickert. Aber wie erkenne und achte ich persönliche Grenzen? Mit Spielen und Simulationen konnten wir lernen unseren Standpunkt und unsere persönlichen Grenzen zu erfahren. Wie nah darf mir jemand kommen, ohne dass es für mich unangenehm wird? So vorbereitet, konnten wir uns Samstag an das eigentliche Thema des Wochenendes heranwagen.

Was ist sexueller Missbrauch? Welche Abstufungen und Formen gibt es? Wie erkenne ich Hinweise auf einen Missbrauch, wie erkenne ich Betroffene, wie Täter? Zuerst wurden die Täter zum Thema des Seminars. Es wurde beleuchtet, welche Strategien Täter verfolgen, um an ihre Ziele zu kommen, welche Gefühle sie antreiben. Der Täterseite gegenüber stehen natürlich im- mer die Betroffenen. Was geht in ihnen vor? Es wurde klar, dass es keinesfalls eine eindeu- tige Richtung der Gefühle gibt. Denn die Betroffenen befinden sich in einem emotionalen Dilemma. Einerseits wird ihnen großer Scha- den zugefügt, auf der anderen Seite erleben sie Bevorzugung – die Hilflosigkeit, die sie in Situationen mit Tätern erfahren, und dagegen das Bedürfnis, diesen Schaden von anderen abzulenken. Durch Rollenspiele konnten wir am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, sich als Betroffener einer unbeteiligten Person zu offenbaren. Aber was, wenn ich in die Situation der eingeweihten Person komme? Was muss ich tun, wie reagiere ich? Um für eine solche Situ- ation gewappnet zu sein, haben wir von Holger Handwerkszeug und Ratschläge sowie rechtliche Grundlagen an die Hand bekommen.

Nach dem Vorbild des DPB haben die Bünde begonnen, Leitfäden für das Vorgehen im Ernstfall zu erarbeiten. Zum Abschluss wurden Konfrontationsgespräche mit mutmaßlichen Tätern simuliert. Hier kamen die Informationen, die
wir zu den typischen Täterstrategien bereits erarbeitet hatten, wieder zum Einsatz. Es zeigte sich, dass wir alle doch einiges dazugelernt haben. Das Seminar hat einen Grundstein gelegt, auf dem wir nun weiter aufbauen können.

gerri
(Quelle: ZEITUNG 2/2013, Nachrichten)