Gruppierungen und Bünde wie die Deutsche Freischar, die als Träger der freien Jugendhilfe öffentlich anerkannt sind, übernehmen damit auch immer eine besondere Verantwortung für ihre jüngeren Mitglieder. Denn sie handeln nicht nur nach selbst formulierten Zielen und Grundsätzen, sondern auch vor dem Hintergrund des Kinder- und Jugendhilfe-Gesetzes, das sich seinerseits von anderen Rechtsquellen ableitet, nicht zuletzt von den allgemeinen Menschen- und Freiheitsrechten. Um ihrem selbst gestellten Anspruch nachzukommen, Trägerin der freien Jugendhilfe zu sein, aber auch aus einem ganz traditionellen bündischen Selbstverständnis heraus bemüht sich die Freischar daher um eine Qualifizierung ihres „Leitungspersonals“.
Wie in allen größeren sozialen Verbänden, die auch Kinder und Jugendliche mit einschließen, z. B. in Schulen, Kircheneinrichtungen, Jugendheimen, Sportvereinen – aber selbst innerhalb von Familien – kommt es auch in pfadfinderisch-bündischen Gruppierungen in Einzelfällen zu Übergriffen. In den Medien wird über solche Vorfälle mal mehr, mal weniger berichtet, doch gibt es nach allgemeiner Auffassung eine Dunkelziffer.
Die Deutsche Freischar beschäftigt sich als Bund schon seit längerer Zeit mit diesem Thema. Für HortenführerInnen (GruppenleiterInnen) geht es in unseren Schulungsseminaren im Wesentlichen darum, selbst mehr Urteils- und Handlungskompetenz zu erwerben und damit den Kindern und Jugendlichen in ihren Gruppen mehr Sicherheit bieten zu können. In den Seminaren beschäftigen sich die HortenführerInnen daher mit folgenden Fragen:
- Was bedeutet es für jede Einzelne / jeden Einzelnen, Grenzen zu setzen und zu überschreiten?
- Wo wird Macht verantwortungsvoll gebraucht und wo beginnt der Missbrauch?
- Wie kann die Gruppenleiterin / der Gruppenleiter mit der Sexualität zwischen Kindern und Jugendlichen umgehen, wo hat sie/er Grenzen zu setzen?
- Was ist und wie sieht ein Krisenplan aus? Woher bekomme ich professionelle Hilfe?
Bündische Gruppen beruhen auf zwischenmenschlichen Beziehungen und menschlicher Nähe. Sie sind keine vorwiegend sachbezogenen, auf Verdienst und Gewinn hin berechneten Verbindungen. Niemand kann gezwungen werden, Gruppen- bzw. Bundesmitglied zu sein, und der „Gewinn“ liegt in erster Linie im geglückten Miteinander, neben anderen Effekten wie z. B. dem Erwerb neuer Erfahrungen und Kompetenzen auf gemeinsamer Fahrt. Aber gerade diese Grundkonstellation eröffnet die Möglichkeit zur Machtausübung – nicht jeder ist gleich stark, und so können Abhängigkeiten, z. B. emotionaler oder aber auch anderer Art (durch das Ausleben pädophiler Neigungen) entstehen. Das Problem liegt also einerseits im Erkennen von tatsächlichen Grenzüberschreitungen und der angemessenen Reaktion darauf und andererseits in der Prävention. Innerhalb der Freischar ist es deshalb notwendig, sich Klarheit über die Motivation des/der Einzelnen zur Übernahme z. B. einer Gruppenführung zu verschaffen.
Ein wichtiger Aspekt in Bezug auf Prävention ist die weitgehenden Öffentlichkeit des Gruppenhandelns. Deshalb soll darauf geachtet werden, dass Gruppen nicht in gesonderten, „privaten“ Beziehungen agieren, sondern im Grundsatz immer bundesöffentlich und bundesverantwortlich. Dies ist ohnehin grundsätzlich für Zusammenschlüsse unserer Art, denn eine Ansammlung unverbundener Gruppen ist kein Bund. Dieser muss dann aber auch für eine Auswahl und Qualifizierung seines Führungspersonals auf allen Ebenen sorgen und für eine angemessene Kommunikation, die sich mit allen kritischen Fragen im offenen Diskurs nachdrücklich befasst.
Die Freischar erfüllt ihre selbst gestellte und selbst verantwortete Aufgabe als Trägerin der freien Jugendhilfe immer in ihrem größeren Bundes-Zusammenhang, so wichtig die einzelne Horte (Gruppe) auch ist. Die Freischar bleibt dabei durchaus ihren bündischen Traditionen treu. Denn wenn wir die Meißner-Formel von 1913, das Postulat von dem Streben nach „eigener Bestimmung, eigener Verantwortung und innerer Wahrhaftigkeit“ ernst nehmen, dann bewegen wir uns auch immer innerhalb der Forderungen, die das Kinder- und Jugendhilfegesetz an uns stellt, nämlich die „Förderung und Erziehung des jungen Menschen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“. Dies zu erreichen haben die Freischar und andere Bünde in der Tradition der Jugendbewegung eine eigene Praxis herausgebildet, die vor Fehlentwicklungen und Missbrauch zu schützen ist.
Im Anschluss an das Schulungsseminar im Juni 2013 wurden zum einen diese Grundsätze formuliert. Zum anderen wurden AnsprechpartnerInnen im Bund ernannt (siehe unten), an die sich jedes Bundesmitglied wenden kann, wenn es um den Verdacht sexueller Übergriffe geht. Diese AnsprechpartnerInnen werden dann anhand eines Krisenplans alle weiteren Schritte einleiten.
Die bis jetzt durchgeführten Seminare und Veranstaltungen müssen mit ihren Ergebnissen immer wieder im Bundesleben verankert werden. Das Thema Machtmissbrauch und sexueller Gewalt muss immer wieder aktualisiert und dafür sensibilisiert werden.
Unsere AnsprechpartnerInnen:
- hexe
- Helena
- effiks
Eine Email an alle AnsprechpartnerInnen schicken: